„Ohne Trauer keine Power” – diesen Spruch hat meine Frau Gisela Sauerland geprägt, die u.a. für die Hospizgruppe am Lukas-Krankenhaus Trauerarbeit macht. Er bringt die Erfahrung auf den Punkt, dass größere Verlusterfahrungen die Tendenz haben, uns unsere Lebensenergie zu stehlen, und dass es in der Regel das Durchleben der Trauer mit den mit ihr verbundenen meist schmerzlichen oder aufwühlenden Gefühlen ist, das uns hilft, diese Energie zurückzugewinnen.

Nun haben ja die meisten Menschen eine instinktive (und im Prinzip höchst gesunde!) Tendenz, Schmerz auszuweichen. Und so gehören zum großen Spektrum der „normalen” Trauerreaktionen genau auch solche, die Schmerzvermeidung zum Ziel haben. Typisch in diesem Sinne ist es, z. B., alles zu vermeiden, was mich an das Verlorene erinnert, verstärkt Alkohol oder beruhigende Medikamente zu konsumieren oder mich schnell in die Arbeit, eine neue Beziehung oder andere Aktivitäten zu stürzen.
Wie gesagt, das alles ist völlig normal und für viele Menschen eine stimmige Art, auf einen Verlust zu reagieren. Schwierig wird es dann, wenn die anderen Aspekte des Umgangs mit der Trauer zu weit in den Hintergrund treten.
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Und nicht zu unrecht. Der Wunsch oder die Forderung nach Ganzheitlichkeit entstand als Gegenreaktion auf viele Einseitigkeiten in unserer Gesellschaft, auf die Betonung des Körperlichen in der Medizin, des Materiellen in der Gesellschaft, der intellektuellen Leistung in der Bildung, dem Wort im evangelischen Gottesdienst usw. Angesichts dieser Verengungen weitere Dimensionen des Lebens in den Blick zu nehmen war und ist ein wichtiges Anliegen.
Die Wahrheit ist, jeder Mensch ist in seiner Motivation ambivalent. Das gilt für persönliche Beziehungen genauso wie für das Ehrenamt oder die Politik. Neben die Interessen, die ich an dem anderen oder der Sache habe, treten meine eigenen. Und das ist gut so. Wichtig ist, dass diese Tatsache bewusst bleibt, denn das verhindert falsche Idealisierungen und die damit automatisch verbundenen Enttäuschungen, wenn ich oder ein anderer diesem Maßstab der Reinheit nicht entspricht.

