Ohne Trauer keine Power

„Ohne Trauer keine Power” – diesen Spruch hat meine Frau Gisela Sauerland geprägt, die u.a. für die Hospizgruppe am Lukas-Krankenhaus Trauerarbeit macht. Er bringt die Erfahrung auf den Punkt, dass größere Verlusterfahrungen die Tendenz haben, uns unsere Lebensenergie zu stehlen, und dass es in der Regel das Durchleben der Trauer mit den mit ihr verbundenen meist schmerzlichen oder aufwühlenden Gefühlen ist, das uns hilft, diese Energie zurückzugewinnen.

Edward Munch, Der Schrei, undatierte Zeichnung, Kunstmuseum Bergen

Nun haben ja die meisten Menschen eine instinktive (und im Prinzip höchst gesunde!) Tendenz, Schmerz auszuweichen. Und so gehören zum großen Spektrum der „normalen” Trauerreaktionen genau auch solche, die Schmerzvermeidung zum Ziel haben. Typisch in diesem Sinne ist es, z. B., alles zu vermeiden, was mich an das Verlorene erinnert, verstärkt Alkohol oder beruhigende Medikamente zu konsumieren oder mich schnell in die Arbeit, eine neue Beziehung oder andere Aktivitäten zu stürzen.

Wie gesagt, das alles ist völlig normal und für viele Menschen eine stimmige Art, auf einen Verlust zu reagieren. Schwierig wird es dann, wenn die anderen Aspekte des Umgangs mit der Trauer zu weit in den Hintergrund treten.

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Es gibt nichts, was uns die Abwesenheit eines lieben Menschen ersetzen kann …

Predigt im Lukas-Krankenhaus Bünde über die Leipziger Karte „Herbstblatt“ (Nr 421_0) und Mt 11,28-30 zu den Gedächtnisgottesdiensten Herbst 2014

Gnade sei mit Euch und Friede von dem der da ist, und der da war und der da kommt.

Liebe Gemeinde,

auf der Suche nach einer Karte für die Gottesdienste zum Gedächtnis der verstorbenen Patienten unseres Krankenhauses bin ich auf eine Karte mit einem Text von Dietrich Bonhoeffer gestoßen, den er in einem Brief zum Heiligabend 1943 aus dem Gestapo-Gefängnis heraus geschrieben hat.

Es gibt nichts, was uns die Abwesenheit eines lieben Menschen ersetzen kann, und man soll das auch gar nicht versuchen …
Je schöner und voller die Erinnerungen, desto schwerer die Trennung. Aber die Dankbarkeit verwandelt die Qual der Erinnerung in eine stille Freude. Man trägt das vergangene Schöne nicht mehr wie einen Stachel, sondern wie ein kostbares Geschenk in sich.“
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„Goldene“ Sätze: Schonen schadet

Ein Satz aus der Tradition der KSA, der Klinischen Seelsorgeausbildung. Kerstin Lammer zitiert ihn z.B. in ihren Tipps für die Trauerbegleitung1. Ein Satz, so wahr wie falsch, hilfreich wie gefährlich. Immer nur im richtigen Zusammenhang zu verstehen.

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David und Goliath, Maler Guido Reni, 1610

Falsch ist dieser Satz immer dann, wenn er sich auf traumatisierte Menschen bezieht.2 Falsch ist er, wenn er das Gefühl für den anderen zum Schweigen bringt. Falsch ist er, wenn er dazu dient, der eigenen Lust nach Dominanz und Aggression eine Begründung zu liefern.

Stark ist dieser Satz, wo er hilft, den Raum für die Bearbeitung von Gefühlen zu öffnen. Wo er in einem Gespräch mit Schwerkranken ermöglicht, das Schweigen zu überwinden und Ängste auszusprechen. Weiterlesen