Endlich Klarheit: Die Grenzen der Garantenpflicht beim Suizid

Wenn Menschen sterben wollen – wie weit soll man als Staat oder Gesellschaft um ihr Leben kämpfen und wo soll ihr Todeswunsch Vorrang haben? Diese Frage beschäftigt die Gerichte und den Gesetzgeber seit vielen Jahren immer wieder aufs Neue. Es gilt einen Ausgleich zu finden zwischen dem Respekt vor der Autonomie eines Menschen, nicht gegen seinen Willen leben zu müssen (wobei man sich immer fragen kann, wie autonom und frei diese Entscheidung in den einzelnen Situationen wirklich ist) und der Fürsorge für dieses Leben (wobei man sich immer fragen kann, ob es wirklich Fürsorge ist, jemandem ein Leben zuzumuten, das dieser selbst nicht will).

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Der Bundesgerichtshof hat in einer Reihe von Urteilen den Weg dahin geebnet, dass die bei klarem Verstand gefasste Entscheidung eines Menschen, wie zu einem späteren Zeitraum, an dem er nicht mehr entscheidungsfähig ist, in medizinischen Dingen zu verfahren sei, zu respektieren ist, wenn nicht Hinweise darauf vorliegen, dass sie nicht mehr gelten soll (vgl. die Zusammenstellung unter http://www.drze.de/im-blickpunkt/sterbehilfe/module/fuenf-urteile-zur-sterbehilfe). 2009 hat dann der Bundestag ein Gesetz beschlossen, das diese Überlegungen im BGB verankert (vgl. https://www.aerzteblatt.de/archiv/65811/Alte-und-neue-Regelungen-Patientenverfuegungen-werden-verbindlich). In Auslegung dieses Gesetzes hat der BGH dann darüber entschieden, wie eindeutig eine solche Erklärung sein muss, und aus meiner Sicht Kriterien mit Augenmaß festgelegt, die eine Patientenverfügung mindestens zu erfüllen hat, damit sie Gültigkeit erlangen kann.

Am 3. Juli dieses Jahres hat der BGH diese Linie auch in Bezug auf zwei Fälle bestätigt, bei denen es um die Beihilfe zum Suizid ging (vgl. https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2019/2019090.html.) und damit ein Urteil von 1984 korrigiert, das in eine andere Richtung gewiesen hatte (vgl. https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13508489.html). Weiterlesen

BGH: Anforderung an Bestimmtheit von Patientenverfügungen nicht überspannen

Der Bundesgerichtshof hat im November letzten Jahres ein Urteil gefällt (vgl. http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&pm_nummer=0185/18), in dem er seine bisherige Linie bei der Bewertung von Patientenverfügungen weiterführt und zu hohe Anforderungen in Bezug auf ihre Konkretheit verwirft.

Im konkreten Fall hatte eine Frau 1998 in einer Patientenverfügung u.a. festgehalten, dass sie keine lebensverlängernden Maßnahmen wünsche, wenn keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins bestehe oder aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleiben sollte. Zudem habe sie nach Zeugenaussagen in den folgenden Jahren mehrmals  in Bezug auf Wachkomapatienten gesagt, so wolle sie nicht leben, in so einer Situation wolle sie auch nicht künstlich ernährt werden und  das habe sie durch ihre Patientenverfügung auch ausgeschlossen. Zugleich hatte sie geschrieben, aktive Sterbehilfe lehne sie ab.

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2008 hatte sie erst einen Schlaganfall erlitten, um dann einen Monat später durch Sauerstoffmangel ins Wachkoma zu fallen. Dazwischen hatte sie ihrer Therapeutin trotz Trachealkanüle gesagt, dass sie sterben wolle. Trotzdem war sie mittels einer Magensonde künstlich mit Flüssigkeit versorgt und ernährt worden. Weiterlesen

Patientenverfügungen müssen konkret sein – und damit ggf. auch aktuell

Konsequenzen aus dem BGH-Urteil vom 9.8.2016

In seinem Urteil hatte sich der Bundesgerichtshof mit der Situation  einer 1941 geborenen Frau befasst, die Ende November 2011 einen Hirnschlag erlitten hatte. Noch im Krankenhaus war ihr eine PEG-Ernährungssonde gelegt worden, durch die sie seitdem ernährt wird. Im Januar 2012 war sie in ein Pflegeheim verlegt worden, in dem sie seitdem lebt. Zu diesem Zeitpunkt konnte sie noch verbal kommunizieren, was aber seit dem Frühjahr 2013 infolge epileptischer Anfälle nicht mehr möglich ist.

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Autor des Fotos: HoRaMi, Bearbeitung: Hanno Paul, Linzenz: GFDL

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