Noch einmal: Zum assistierten Suizid

Die gesellschaftliche und auch innerevangelische Debatte zum assistierten Suizid hat in der letzten Zeit Fahrt aufgenommen. Vieles, was mir bei diesem Thema am Herzen liegt, steht schon in meinem grundlegenden Artikel von 2014. Aber folgende Ergänzungen sind mir in der letzten Zeit wichtig geworden:

In der Praxis habe ich ja gar nicht so viel mit der Frage nach assistiertem Suizid zu tun. Was mir jedoch häufig begegnet, ist der Wunsch zu sterben. Selten als ganz reiner Wunsch, häufig als Teil einer Ambivalenz, einerseits gerne noch leben zu wollen, andererseits aber nicht mehr unter den aktuellen oder zu erwartenden Bedingungen. Und diesen Wunsch erlebe ich nicht nur bei schlecht versorgten Patient*innen, sondern auch bei solchen, die auf unserer Palliativstation auf höchsten ärztlichen und pflegerischem Niveau behandelt werden.

Wir gehen in der Regel so auf diesen Wunsch ein, dass wir schauen, was alles getan werden kann, das Leben erträglich oder gar wieder schön zu machen, aber auch akzeptieren, dass es nicht mehr künstlich verlängert wird und dass die Ausrichtung der Therapie dementsprechend auf Leidensminderung und nicht Lebenszeitmaximierung ausgerichtet wird.

Diese Haltung ist gesellschaftlich weitgehend akzeptiert und schlägt sich auch in der Möglichkeit nieder, in gesunden Zeiten einen Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen in Krisenzeiten festzulegen. Ich bin froh über diese Möglichkeit, auch wenn man viele kritische Fragen, die in Bezug auf den assistierten Suizid gestellt werden, auch hier stellen könnte: Wie frei ist die Entscheidung dieser Menschen zum Therapieabbruch wirklich? Was sind ihre Motive? Wie viel Rücksichtnahme auf Dritte oder äußerer Druck ist dabei? Wie weit können sich Menschen in gesunden Zeiten wirklich vorstellen, wie es ist, mit massiven Einschränkungen zu leben? Trotz all dieser Fragen traut man hier Menschen offensichtlich eine (zumindest relativ) freie und verantwortete Entscheidung zu, was aus meiner Sicht die Frage provoziert, was den Umgang mit dem Wunsch nach einem assistierten Suizid so fundamental davon unterscheiden sollte.

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BGH: Anforderung an Bestimmtheit von Patientenverfügungen nicht überspannen

Der Bundesgerichtshof hat im November letzten Jahres ein Urteil gefällt (vgl. http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&pm_nummer=0185/18), in dem er seine bisherige Linie bei der Bewertung von Patientenverfügungen weiterführt und zu hohe Anforderungen in Bezug auf ihre Konkretheit verwirft.

Im konkreten Fall hatte eine Frau 1998 in einer Patientenverfügung u.a. festgehalten, dass sie keine lebensverlängernden Maßnahmen wünsche, wenn keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins bestehe oder aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleiben sollte. Zudem habe sie nach Zeugenaussagen in den folgenden Jahren mehrmals  in Bezug auf Wachkomapatienten gesagt, so wolle sie nicht leben, in so einer Situation wolle sie auch nicht künstlich ernährt werden und  das habe sie durch ihre Patientenverfügung auch ausgeschlossen. Zugleich hatte sie geschrieben, aktive Sterbehilfe lehne sie ab.

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2008 hatte sie erst einen Schlaganfall erlitten, um dann einen Monat später durch Sauerstoffmangel ins Wachkoma zu fallen. Dazwischen hatte sie ihrer Therapeutin trotz Trachealkanüle gesagt, dass sie sterben wolle. Trotzdem war sie mittels einer Magensonde künstlich mit Flüssigkeit versorgt und ernährt worden. Weiterlesen

Klarheit schaffen: Notfallkarte des Kreises Herford

Auf der letzten Mitgliederversammlung des Palliativnetzes Kreis Herford hat der Ärztliche Leiter des Rettungsdienstes des Kreises Herford Dr. Thomas Jakob den vom ihm erarbeiteten Notfallbrief Rettungsdienst vorgestellt.

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Er ist entstanden aus der Erfahrung, dass, wenn ein Notarzt gerufen wird, in kurzer Zeit wesentliche Entscheidungen über das weitere Vorgehen getroffen werden müssen und dann oft die notwendigen Informationen nicht zur Verfügung stehen. Deshalb hat er eine Notfallkarte erstellt, die auf zwei Seiten wichtige Daten über den bisherigen Gesundheitszustand, sich im Gebrauch befindliche Medikamente, behandelnde ÄrztInnen und Krankenhäuser und ggf. BetreuerInnen und Bevollmächtigte zusammenfasst. Weiterlesen

Patientenverfügungen müssen konkret sein – und damit ggf. auch aktuell

Konsequenzen aus dem BGH-Urteil vom 9.8.2016

In seinem Urteil hatte sich der Bundesgerichtshof mit der Situation  einer 1941 geborenen Frau befasst, die Ende November 2011 einen Hirnschlag erlitten hatte. Noch im Krankenhaus war ihr eine PEG-Ernährungssonde gelegt worden, durch die sie seitdem ernährt wird. Im Januar 2012 war sie in ein Pflegeheim verlegt worden, in dem sie seitdem lebt. Zu diesem Zeitpunkt konnte sie noch verbal kommunizieren, was aber seit dem Frühjahr 2013 infolge epileptischer Anfälle nicht mehr möglich ist.

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Autor des Fotos: HoRaMi, Bearbeitung: Hanno Paul, Linzenz: GFDL

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Was ist eine gute Patientenverfügung?

Um diese Frage zu beantworten, muss man sich klarmachen, dass eine Patientenverfügung trotz aller juristischen Implikationen in erster Linie ein Mittel der Kommunikation ist. Es geht darum deutlich zu machen, was ich in bestimmten Situationen an medizinischer Behandlung möchte und was nicht, so dass dies die behandelnden Ärzte und mein Betreuer bzw. meine Bevollmächtigte verstehen und nachvollziehen können. Sie sollen gegebenenfalls Entscheidungen über Leben und Tod treffen, von daher sind sie darauf angewiesen, dass ich mich so klar wie möglich ausdrücke.

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Advance Care Planning – das einlösen, was Patientenverfügungen versprechen

titelbildDass die eigenen Werte und Wünsche am Lebensende im Rahmen des Möglichen umgesetzt werden, das ist das Ziel einer Patientenverfügung. Ein Ziel, das häufig nicht erreicht wird. Die Hindernisse sind vielfältig:

  • Viele Menschen denken über Patientenverfügungen zwar nach, erstellen sie dann aber doch nicht, denn das Thema erschien dann doch zu fern oder zu kompliziert oder zu belastend. Weiterlesen