Mit welchem Namen soll ich dich anreden, Gott? – Ein Gebet

Markus Sauermann Gebet, Foto: Commander-pirx at German Wikipedia, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons

Gott, wie rede ich dich an? Bist du männlich oder weiblich? Bist du ein Mensch, ein anderes Wesen oder eine unpersönliche Qualität dieser Welt?

Die Bibel nennt dich Vater und König, יְהוָה und Herr, vergleicht dich mit einer Mutter, einem Vater, einem Adler.

Unsere Glaubensbekenntnisse preisen dich als Schöpfer, als Allmächtigen, sehen dich eines Wesens mit dem Menschen Jesus und verehren dich in der Form des Heiligen Geistes, des Trösters (der Trösterin?), die uns Jesus verheißen hat.

Gott, so viele alte Bilder, dazu die neueren oder wiederentdeckten: Grund unseres Seins, Quelle des Lebens, Freundin der Menschen, Licht der Welt, spielerische Weisheit …

Gott, ich glaube, alle diese Bilder haben ihr Recht, zeigen einen Teil von dir, auch wenn du uns ja im Prinzip alle Bilder verboten hast. Doch ohne Bilder können wir auch nicht von dir reden. Denn ohne Bilder bleibst du abstrakt, ungreifbar, ohne Bedeutung, leer.

Nein, von dir ohne Bilder zu reden, ergibt keinen Sinn. Von daher müssen wir Bilder finden, immer wieder neu. Aber so, dass wir um die Begrenztheit diese Bilder wissen, sie nicht verabsolutieren, sie nicht anbeten, nie vergessen, dass sie jeweils nur einen kleinen Aspekt deiner Wirklichkeit zeigen können.

So sprechen wir von dir in der Vielfalt der Bilder, suchen die, die uns berühren, aufrütteln, anrühren, und wissen, dass du sie alle übersteigst und korrigierst, wenn wir es zulassen.

Ja, groß ist die Gefahr, diese Bilder zu Götzen zu machen, das „Gott mit uns” auf den Koppeln deutscher Soldaten im 1. Weltkrieg war davon nur die offensichtlichste Form. Dieser Götzendienst geschieht immer, wo Menschen so von dir sprechen, dass du für Einzelinteressen vereinnahmt wirst und andere von deiner Liebe ausgeschlossen erscheinen. Und der Grund ist dann egal: Ganz gleich, ob wir sie wegen ihrer Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion, ihres Geschlechts, ihrer Hautfarbe, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Gesundheitszustandes diskriminieren oder, weil sie einfach nur zur falschen Gruppe oder Familie gehören, wenn wir sie deiner Liebe entziehen wollen, verraten wir deinen Namen.

Gott, hilf uns zu verstehen, dass wir durch unsere Geburt erst einmal alle in gleicher Beziehung zu dir stehen, auch wenn du dich dann auf die Seite der jeweils Benachteiligten stellst. Ja, hilf uns, immer wieder passende Namen, Worte und Bilder für dich zu finden, sodass wir unser Leben besser verstehen und unseren Teil dazu beitragen, dass diese Erde für alle zu einer lebenswerten wird.

Amen.

Dieses Gebet entstand, als ich (auch in Auseinandersetzung mit meinem letzten Post „Gott – Wesen, Konzept, Aussage über die grundlegenden Eigenschaften unserer Welt?“) darüber nachdachte, wie ich angemessen von Gott reden kann, welche Bedeutung das Geschlecht hat, in dem ich von Gott spreche, und welche Bedeutung auch die anderen Bilder haben, die ich bezüglich Gott benutze.

Denn mir ist aufgefallen, dass ich in unterschiedlichen Situationen unterschiedliche Worte benutze. Z. B. das Wort „Herr”. Im Gottesdienst versuche ich, es möglichst zu vermeiden. Das heißt, ich verwende es nicht in frei formulierten Gebeten, ersetze es im Aaronitischen Segen durch das Wort „Gott”, schaue mir auch bei den Lesungen und Psalmen die Übersetzungen an und modifiziere z. T. den verwendeten Gottesnamen. Auch im freien Gebet mit Patient*innen vermeide ich diesen Begriff, weil ich um die problematischen Assoziationen weiß.

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Äußerstes Glück?

Das Buch, das mich in diesem Sommer am meisten berührt hat, ist der neue Roman von Arundhati Roy, „The Ministry of Utmost Happiness“, wobei der deutsche Titel: „Das Ministerium des höchsten Glücks“ wohl eher etwas in die Irre führt. Denn von einer staatlichen Einrichtung erwartet die in hohen Maße staats- und sozialkritische Autorin sicher kein Bemühen um das Glück seiner Bürger. Dafür ist dann schon eher der für seine unbändige (homoerotische) Liebe bekannte und hingerichtete Sufi-Heilige Hazrat Nizamuddin zuständig, dessen Mausoleum im Herzen von Delhi für diese Geschichte eine wichtige Rolle spielt.

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Aber um Glück geht es schon in diesem Buch, genauer um die Frage, wie Glück möglich ist – in einer Welt, wie sie ist, mit all ihrer Armut, ihren Grausamkeiten, ihrer Gewalt. Und genau da wird dieses Buch, auch wenn es in Indien spielt und all die sozialen Konflikte aufgreift, in denen sich Roy in den letzten 20 Jahren engagiert hat, zu meinem Buch. Weiterlesen

Ethik biblisch begründen?

An vielen Stellen lese ich, eine Handlungsmaxime sei biblisch begründet. Ich tue mich schwer damit. Schon angesichts sich diametral widersprechender Positionen, die diese biblische Begründung für sich in Anspruch nehmen, wie z.B.

  • die Verurteilung homosexueller Praktiken oder das Eintreten für gleiche Rechte unabhängig von der sexuellen Orientierung,
  • ein strikter Pazifismus oder eine Theologie der Revolution, die Rechtfertigung der Selbstverteidigung oder die sogenannten „Responsibility to Protect“,
  • die Ablehnung oder die Forderung nach Todesstrafe usw.

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