Ein Satz aus der Tradition der KSA, der Klinischen Seelsorgeausbildung. Kerstin Lammer zitiert ihn z.B. in ihren Tipps für die Trauerbegleitung1. Ein Satz, so wahr wie falsch, hilfreich wie gefährlich. Immer nur im richtigen Zusammenhang zu verstehen.
Falsch ist dieser Satz immer dann, wenn er sich auf traumatisierte Menschen bezieht.2 Falsch ist er, wenn er das Gefühl für den anderen zum Schweigen bringt. Falsch ist er, wenn er dazu dient, der eigenen Lust nach Dominanz und Aggression eine Begründung zu liefern.
Stark ist dieser Satz, wo er hilft, den Raum für die Bearbeitung von Gefühlen zu öffnen. Wo er in einem Gespräch mit Schwerkranken ermöglicht, das Schweigen zu überwinden und Ängste auszusprechen. Stark ist er, wo er am Totenbett dazu hilft, auszusprechen, dass jemand „verstorben“ ist (und nicht „schläft“), und damit dazu beiträgt, als ersten Teil der Trauerarbeit den Verlust zu realisieren. Stark ist dieser Satz, wo er im Seelsorgekurs dazu führt, dass Ärger oder Kritik an einer Teilnehmerin oder einem Teilnehmer offen ausgesprochen wird, statt nur im Verborgenen über die Person herzuziehen. Dann kann wirkliche Auseinandersetzung stattfinden und Selbsterkenntnis, Begegnung und besseres Verständnis für alle werden möglich.
Schonen schadet. Wenn ich mal wieder nicht sicher bin, was ich einer anderen Person zumuten will, regt mich dieser Satz dazu an, genau hinzusehen, ob ich mich oder die andere schonen will. Und dann verantwortet zu entscheiden, was ich tue.
P.S. Und weil es nicht um Rücksichtslosigkeit geht, sondern um Kommunikation, lohnt es sich natürlich auch in der Konfrontation, den Ratschlag von Max Frisch zu bedenken, der in einem Tagebuch schreibt: „Man sollte dem anderen die Wahrheit wie einen Mantel hinhalten, daß er hineinschlüpfen kann, und sie ihm nicht wie einen nassen Lappen um die Ohren schlagen.“
1 Vgl. Kerstin Lammer, Trauer verstehen: Formen – Erklärungen – Hilfen. Neukirchen – Vluyn 2004.
2 In der Traumatherapie wird immer wieder betont, wie wichtig es sei, Betroffene erst einmal zu stabilisieren, bevor eine Bearbeitung des Traumas möglich werde.
Die Aussagen kann ich alle teilen. Wenn ich die „Kunst der Unterscheidung“ beherrsche, kann die Konfrontation immer Erkenntnisse für alle Beteiligten bieten, vielleicht sogar heilsam sein. Aber genau darin liegt das Problem, zu erkennen was mit mir zu tun hat und was der Anteil des/der Anderen ist. Ich glaube, das es dabei keine klare Trennlinie gibt, sondern immer Beziehungsgeflechte mit meiner Lebensgeschichte und der des/der Anderen. Es gehört dann Mut dazu, seine eigene Verletzlichkeit zu zeigen und dann zu hoffen, dass aus der Konfrontation eine annehmende Kommunikation entsteht.
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