In diesem Frühjahr sind mit Johann Friedrich Spittler (vgl. https://taz.de/Suizidassistenz-und-Strafrecht/!5989762/) und Christoph Turowski (vgl. https://www.medical-tribune.de/meinung-und-dialog/artikel/arzt-wegen-sterbebegleitung-verurteilt) zwei Ärzte jeweils von einem Landgericht zu jeweils 3 Jahren Haft verurteilt worden, weil sie jeweils einem psychisch kranken Menschen bei seinem Suizid assistiert hatten. Bei beiden waren die Gerichte zur Überzeugung gekommen, dass die Suizidant*innen nicht in der Lage gewesen seien, sich freiverantwortlich für einen Suizid zu entscheiden. Deshalb sei das Verhalten der Ärzte als Totschlag in mittelbarer Täterschaft zu bewerten sei, wenn jeweils auch in einem minderschweren Fall. Beide Mediziner waren jeweils in früheren Verfahren in anderen Fällen auch schon mal von dem Vorwurf des Totschlags freigesprochen worden. Beide habe gegen ihre Urteile Revision eingelegt, sodass sie diese jeweils noch nicht rechtskräftig sind.
Der Prozess gegen Turowski wurde für die Journalistinnen Paulina Krasa und Laura Wohlers zum Anlass für eine zehnteilige, äußerst hörenswerte Podcast-Staffel Justitias Wille – Leben in der Waagschale. In ihr werden (von unterschiedlichen persönlichen Standorten aus) die beiden Fälle und das gesamte Thema aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln differenziert dargestellt, sodass man einen guten Überblick über die Fülle seiner Aspekte bekommt
Ich selbst habe ja über den Themenkomplex Assistierter Suizid in diesem Blog schon öfters geschrieben (https://krankenhauspfarrer.net/tag/assistierter-suizid/) und im Mai letzten Jahres den Standpunkt vertreten, im Moment auch gut ohne eine gesetzliche Regelung der Suizidbeihilfe leben zu können (https://krankenhauspfarrer.net/2023/05/11/brauchen-wir/).

Diese letztere Meinung von mir haben die beiden Prozesse ins Wanken gebracht. Aus meiner Sicht haben sich beide Ärzten in Grenzbereichen bewegt, sodass ich die jeweiligen Urteile für nachvollziehbar, wenn auch nicht für zwingend halte. Und da ich nicht annehme, dass die beiden bewusst eine Straftat begehen wollten, bedarf es wahrscheinlich doch rechtlicher Regelungen, um die Grenze des Erlaubten zu markieren. Eine solche könnte außer durch ein Gesetz natürlich auch durch höchstrichterliche Rechtsprechung geschehen
– nur müssten auf dem Weg dahin dann u. U. Ärzt*innen (oder auch Suizidant*innen und ihnen nachstehende Menschen) dafür einen hohen Preis bezahlen.
Wobei ich es als die viel schwierigere Frage empfinde, wie diese Regeln inhaltlich aussehen sollten, bzw. was in Bezug insbesondere auch auf psychisch kranke Menschen das Ziel sein sollte: Sollte es nur darum gehen, übereilte (was ist das genau?) Suizide zu verhindern oder Suizide (auch gegen den langfristigen Willen der Betroffenen) generell? (Vgl. dazu auch die gegensätzlichen Positionen der Stellungnahme des Nationalen Suizidpräventionsprogramms für Deutschland zum Antrag „Suizidprävention stärken und selbstbestimmtes Leben ermöglichen“ und die Überlegungen von Ulla Bonnekoh in ihrer Bewertung der beiden Urteile in ihrem Artikel „Zum Leben verdammt“ des Humanistischen Pressedienstes).
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