Meine Gedanken zum Thema Beihilfe zum Suizid habe ich an anderen Blog-Beiträgen deutlich gemacht. Jetzt, nachdem der Bundestag am 6.11. dem Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung von Michael Brand, Kerstin Griese, Kathrin Vogler u.a. zugestimmt hat, stellt sich die Frage, welche praktischen Konsequenzen dies haben wird.
Der Gesetzestext lautet ja:
§ 217 Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung
(1) Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Als Teilnehmer bleibt straffrei, wer selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des in Absatz 1 genannten anderen ist oder diesem nahesteht.
Klar ist, dass damit die bisherigen Aktivitäten von Organisationen wie Sterbehilfe Deutschland verboten werden (die zwar dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht klagen will, ihre Satzung aber schon vorsorglich geändert hat).
Klar ist auch, dass die einmalige Beihilfe von Angehörigen und Freunden straffrei bleibt, und auch die von Fremden, wenn sie nicht als Beginn einer geschäftsmäßigen Aktivität interpretiert werden kann.
Unklar ist nach einer Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags, wie das bei der gelegentlichen Beihilfe durch Ärzte aussieht, wobei eindeutig ist, dass die sogenannte passive und indirekte Sterbehilfe nicht unter das Gesetz fallen.
Ziemlich absurd ist aus meiner Sicht eine weitere Konsequenz. Absatz 2 des Gesetztes will ja verhindern, dass Angehörige dadurch schuldig werden, dass sie an einer geschäftsmäßigen Beihilfe teilhaben, also z. B. ihren Angehörigen zu einer Organisation in die Schweiz fahren. Dabei ist der Begriff des Nahestehenden aber eng gefasst, denn: „Demgegenüber genügt der bloße „sympathiegetragene gesellschaftliche Umgang mit Sports- und Parteifreunden oder Berufskollegen und Nachbarn“ diesen Anforderungen nicht“ (S. 20 der Begründung des Gesetzentwurfes). Das heißt also, wenn ich als Nachbar jemandem helfe, zu einer Sterbehilfeorganisation zu fahren, mache ich mich strafbar, wenn ich ihm aber selbst dabei helfe, sich umzubringen, mache ich das nicht. Ob das wirklich sinnvoll ist?
Insgesamt muss ja jetzt beobachtet werden, wie sich BürgerInnen, Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte verhalten werden. Ich hoffe jedenfalls sehr, dass sie zurückhaltend mit der Strafverfolgung umgehen werden, auch wenn der § 217 ein Offizialdelikt beschreibt, der Staat also zur Verfolgung der ihm bekannt gewordenen Fälle gezwungen ist.
Aus meiner Sicht ist ohne Not ein Instrument geschaffen worden, das prinzipiell geeignet ist, in diesem Bereich ein Klima der Verdächtigung und Verunsicherung zu erzeugen. Dies ist wahrscheinlich von niemandem gewollt, aber immer die Konsequenz, wenn man Dinge durch das Strafgesetz regeln will. Nach allen mir bekannten Umfragen wünscht sich die Mehrheit der Bevölkerung einen liberalen Umgang damit. Möge dies die Anwendung dieses Gesetzes bestimmen.
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