Apeirogon – ein Beispiel, dass der Hass nicht das letzte Wort zu haben braucht

Ich habe länger nicht mehr geschrieben. Mein Leben ist mit anderen Dingen reichlich gefüllt und ich habe manchmal auch den Eindruck, vieles, was mir wichtig ist, habe ich gesagt und die Wiederholung macht es nicht interessanter. Aber ich bin in der letzten Zeit auf einige weniger bekannte Bücher gestoßen, auf die ich gerne hinweisen möchte.

Beginnen möchte ich mit dem Doku-Roman „Apeirogon“ des irischen Schriftstellers Colum McCann, veröffentlicht 2020. Apeirogon handelt von zwei Männern, dem Israeli Rami Elhanan und dem Palästinenser Bassam Aramin. Beide haben eine Tochter durch die Gewalt der anderen Seite verloren. Aber anders als viele in ihren jeweiligen Communities verzichten sie aus tieferer Einsicht auf Rache und engagieren sich stattdessen gemeinsam im Parents Circle (https://www.theparentscircle.org (Originalwebseite auf Hebräisch), https://parentscirclefriends.org (englischsprachige Seite von Unterstützer*innen)), dafür, dass Lösungen gefunden werden, die allen Menschen im Land ein gutes Leben ermöglichen. Wichtig ist dabei für beide, dass sie die Leiderfahrungen (sowohl die persönlichen wie die historischen) der anderen Seite jeweils wahr- und ernstnehmen. So sind diese beiden Männer inzwischen durch eine tiefe Freundschaft verbunden.

Das Buch schildert diese Freundschaft anhand von 1001 Elementen, die manchmal nur aus einem Satz (gelegentlich auch aus einem Bild) bestehen, machmal auch mehrere Seiten umfassen. Manche beschreiben einzelne Szenen aus dem Leben der beiden, manche stellen sie in den Zusammenhang von historischen oder gar ornithologischen Informationen. Manche Elemente werden auch wiederholt, wie auch die schmerzhaften Erinnerungen oder die grundlegenden Fragen der beiden sich in deren Leben immer wieder wiederholen.

Der Titel Apeirogon greift diese Vielschichtigkeit auf. Er ist ein Begriff aus der Geometrie, der ein Gebilde bezeichnet, das zwar zählbar viele Facetten hat, deren Zahl aber gegen unendlich geht.[2] So wie der Konflikt in Israel und Palästina.

Aus meiner Sicht ein gut geschriebenes Buch, was hilft, manche dieser Facetten wahrzunehmen, die in der aufgeheizten Diskussion so schnell verloren gehen.

Bundesregierung korrigieren – israelische NGOs weiter unterstützen

In einer Erklärung des Vereins für Friedensarbeit im Raum der EKD e.V. weist die Kurve Wustrow darauf hin, dass die Bundesregierung den israelischen Nichtregierungsorganisationen Zochrot und New Profile die außenpolitische Unbedenklichkeit bzw. Förderfähigkeit entzogen hat.

Zochrot ist eine israelische Organisation, die an die Palästinenserinnen und Palästinenser erinnert, die um das Jahr 1948 von den jüdischen Siedlern vertrieben worden bzw. vor dem Krieg geflüchtet sind und setzt sich für deren Rückkehr ein. Dazu hat sie eine Vision entwickelt, wie ein gemeinsames gleichberechtigtes Leben von Juden und Menschen anderen Glaubens oder anderer Herkunft in diesem Land möglich ist.

New Profile setzt sich aus feministischer Perspektive gegen den großen Einfluss das Militärs auf die israelische Gesellschaft ein und unterstützt Menschen in Israel, die aus welchen Gründen auch immer den Kriegsdienst verweigern.

Die Kurve Wustrow arbeite sich seit vielen Jahren in Deutschland für Gewaltfreiheit. Einer ihrer Schwerpunkt sind Projekte des Zivilen Friedensdienstes, zu denen auch die Zusammenarbeit mit Zochrot und New Profile gehörte.

Die Deutsche Welle hat in einem sehr lesenswerten Beitrag dazu recherchiert und herausgefunden, dass neben den beiden israelischen Menschenrechtsorganisationen auch mindestens sechs palästinensische betroffen sind. Obwohl das Auswärtige Amt am Ende dieses Beitrags alle Vorwürfe, es wolle dazu beitragen, kritische Stimmen in Israel zu unterdrücken, zurückweist, erscheint mir dieser Vorwurf naheliegend.

Deshalb unterstütze ich eine Petition, den Stopp dieser Förderungen zurückzunehmen. Außerdem gibt es eine Möglichkeit, über die Kurve Wustrow, die beiden Projekte mit Spenden direkt zu unterstützen.

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Ich bin lange nicht mehr dazu gekommen, in meinem Blog etwas zu veröffentlichen und schaffe auch im Moment keinen eigenen Beitrag. Aber hinweisen möchte ich auf eine Rede von Margot Käßmann, die in klaren und bedachten Worten deutlich macht, dass es eine christlich motivierte Gegenposition zur zunehmenden Militarisierung unserer Gesellschaft gibt. Sehr lohnenswert.

Das Leiden aller ernst nehmen

Eigentlich möchte ich als Krankenhauspfarrer ja über Medizinethik, Seelsorge und Theologie schreiben, meine beruflichen Spezialthemen eben. Aber manchmal bedrängt mich etwas anderes so sehr, dass ich da nicht schweigen kann.

Und die erneute Eskalation des Konfliktes zwischen den Palästinensern, bzw. der Hamas, und Israel, bzw. seiner Regierung, ist eines davon. Die Brutalität, mit der die Hamas gezielt gegen Zivilist*innen vorgegangen ist, hat mich erschreckt. Die jetzige Reaktion Israels, die mit ihren Bombenangriffen und der Blockade von Strom, Trinkwasser und medizinischer Versorgung genauso die Zivilbevölkerung trifft (vgl. dazu z.B. auch den Beitrag in der Tagesschau vom 15.10.23), erschreckt mich genauso.

Israel wirft der Hamas zurecht seit langem vor, dass es sein Existenzrecht nicht anerkenne. Zugleich zerstört es durch seine Siedlungspolitik Stück für Stück die Grundlagen, dass ein lebensfähiger palästinensischer Staat entstehen könnte, ohne andere Perspektiven für ein gutes Leben der Bewohner*nnen der Westbank und das Gazastreifens zu eröffnen.

Ich bin überzeugt, dass Frieden nur möglich ist, wenn beide Seiten ernsthaft aufeinander zugehen. Damit stehe ich nicht allein. Auch in Israel und unter den Palästinensern oder in den USA gibt es Stimmen, die dasselbe sagen.

Eine Auswahl finden sich z. B. in folgenden Zusammenstellungen, die der Deutsche Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes gesammelt hat:

Neuer Impuls in der Debatte um Organspenden

Im Vorfeld der gestrigen Bundestagsdebatte zur Organspende (in wichtigen Punkten zusammengefasst vom Deutschen Ärzteblatt unter https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/104184/Parlament-bei-Neuregelung-der-Organspende-gespalten) hat der neue Präsident der Bundesärztekammer Klaus Reinhardt den Vorschlag gemacht, potenzielle Organspender*innen bei einem möglichen Organempfang zu bevorzugen und dabei auf entsprechende Regelungen in Israel verwiesen (vgl. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/104048/Bundesaerztekammerpraesident-schlaegt-neue-Regeln-bei-Organspende-vor.) Ich selbst hatte ja, ohne die israelische Regelung zu kennen, Vergleichbares vorgeschlagen.

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Nachspiel der ersten Herztransplantation (Urheber: Tiiu Sild [Public domain])

Unverständlich finde ich, dass über diese Möglichkeit in Deutschland bisher so wenig diskutiert wird. Beide Kommentare, die ich im Internet zur israelischen Gesetzgebung fand, waren kritisch und beide für mich wenig einleuchtend. Weiterlesen