Apeirogon – ein Beispiel, dass der Hass nicht das letzte Wort zu haben braucht

Ich habe länger nicht mehr geschrieben. Mein Leben ist mit anderen Dingen reichlich gefüllt und ich habe manchmal auch den Eindruck, vieles, was mir wichtig ist, habe ich gesagt und die Wiederholung macht es nicht interessanter. Aber ich bin in der letzten Zeit auf einige weniger bekannte Bücher gestoßen, auf die ich gerne hinweisen möchte.

Beginnen möchte ich mit dem Doku-Roman „Apeirogon“ des irischen Schriftstellers Colum McCann, veröffentlicht 2020. Apeirogon handelt von zwei Männern, dem Israeli Rami Elhanan und dem Palästinenser Bassam Aramin. Beide haben eine Tochter durch die Gewalt der anderen Seite verloren. Aber anders als viele in ihren jeweiligen Communities verzichten sie aus tieferer Einsicht auf Rache und engagieren sich stattdessen gemeinsam im Parents Circle (https://www.theparentscircle.org (Originalwebseite auf Hebräisch), https://parentscirclefriends.org (englischsprachige Seite von Unterstützer*innen)), dafür, dass Lösungen gefunden werden, die allen Menschen im Land ein gutes Leben ermöglichen. Wichtig ist dabei für beide, dass sie die Leiderfahrungen (sowohl die persönlichen wie die historischen) der anderen Seite jeweils wahr- und ernstnehmen. So sind diese beiden Männer inzwischen durch eine tiefe Freundschaft verbunden.

Das Buch schildert diese Freundschaft anhand von 1001 Elementen, die manchmal nur aus einem Satz (gelegentlich auch aus einem Bild) bestehen, machmal auch mehrere Seiten umfassen. Manche beschreiben einzelne Szenen aus dem Leben der beiden, manche stellen sie in den Zusammenhang von historischen oder gar ornithologischen Informationen. Manche Elemente werden auch wiederholt, wie auch die schmerzhaften Erinnerungen oder die grundlegenden Fragen der beiden sich in deren Leben immer wieder wiederholen.

Der Titel Apeirogon greift diese Vielschichtigkeit auf. Er ist ein Begriff aus der Geometrie, der ein Gebilde bezeichnet, das zwar zählbar viele Facetten hat, deren Zahl aber gegen unendlich geht.[2] So wie der Konflikt in Israel und Palästina.

Aus meiner Sicht ein gut geschriebenes Buch, was hilft, manche dieser Facetten wahrzunehmen, die in der aufgeheizten Diskussion so schnell verloren gehen.

Eine Geschichte gegen den Terror

In Kenia haben Muslime unter großen Gefahren für ihr Leben am 21.12. Christen vor Terroristen der islamistischen Miliz al-Schabab gerettet, indem sie sich bei einem Überfall auf einen Reisebus weigerten, sich von ihnen zu trennen (vgl. http://www.nation.co.ke/counties/Two-dead-3-injured-Mandera-bus-attack/-/1107872/3004522/-/12gsxkc/-/index.html?platform=hootsuite und auf Deutsch: http://www.welt.de/politik/ausland/article150230779/Terror-in-Kenia-Muslime-retten-Christen-das-Leben.html).

Auch wenn da insgesamt auch viel Glück im Spiel war (die Milizionäre wurden durch das Herannahen eines Lasters irritiert und ließen deshalb erst einmal von der Businsassen ab), ist das für mich doch ein ermutigendes Zeichen, wie wir, wenn wir über Religionsgrenzen hinweg zusammenhalten, dem Terror und der Gewalt etwas entgegensetzen können.

Der erste Schritt dazu ist wahrscheinlich, aneinander kennenzulernen. Das neue Jahr wird dazu sicher Möglichkeiten bieten. Fragt sich, ob wir sie nutzen.

 

Alternativen zur Gewalt in Syrien

Ich habe kürzlich an der Jahrestagung des Deutschen Zweigs des Internationalen Versöhnungsbundes unter der Überschrift „Den Mythos der Gewalt überwinden – Die Mächte kreativ verwandeln” teilgenommen und mich dort in einer Arbeitsgruppe unter der Leitung von Christine Schweitzer der Frage gewidmet, wie der IS zu verstehen ist und welche Antworten darauf möglich wären.

Christine Schweitzer

Christine Schweitzer

Mir sind dabei mehrere Dinge deutlich geworden. Zum einen, die Macht der Gewalt ist wirklich ein Mythos. Vielleicht noch aus unseren Erfahrungen in der Kindheit glauben wir, mit „guter” menschenfreundlicher Gewalt könnte man Konflikte stoppen, so wie ein Elternteil einen Streit unter Kindern stoppen kann, indem es sich zwischen die Streithähne stellt oder eines der Kinder hinausnimmt.

Die Realität ist allerdings, dass in der Regel gerade Völkermorde militärisch nicht verhindert werden können, selbst wenn es möglich ist, die mordende Partei hinterher militärisch zu bestrafen. Weiterlesen

Aus Nächstenliebe Krieg führen?

Gedanken zu einer Theorie des gerechten Krieges

Wie ich in meinem Post im Mai begründet habe, ist nach meiner Überzeugung inhaltliches Kriterium jeglicher christlicher Ethik, dass sie dem Gebot der Nächstenliebe verpflichtet ist. Dieses hat aus meiner Sicht auch Vorrang vor allen biblischen Einzelanweisungen und sollte helfen, diese zu interpretieren und auszulegen. Dabei habe ich mich immer wieder gefragt, was dies für die Auseinandersetzung um Krieg und Frieden, Rüstung und Militär zu bedeuten hat.

Offensichtlich ist, dass Christen in dieser Angelegenheit zu recht unterschiedlichen Einschätzungen gekommen sind. Hat sich die Urchristenheit weitgehend des Kriegsdienstes enthalten, wurde später der Staat in seiner Funktion, Gewalt zu begrenzen, als gutes Instrument Gottes wahrgenommen und ihm in diesem Rahmen das Recht zugestanden, in einem begrenzten Umfang auch militärische Gewalt auszuüben. Dabei wurden die Bedingungen dafür, dass ein militärisches Eingreifen erlaubt sein könnte, zwar unterschiedlich definiert, betrafen aber immer einerseits den Kriegsgrund (der ein gerechter sein musste wie Selbstverteidigung oder Nothilfe, nicht jedoch Eroberung oder Mission), andererseits die Kriegsführung (vorheriges Angebot einer friedlichen Lösung, Verhältnismäßigkeit der Mittel, Schonung der Zivilbevölkerung, Schonung des besiegten Gegners etc.) und schließlich auch die realistische Möglichkeit, den Krieg zu gewinnen.1 Weiterlesen