Wie die Tageszeitung DIE WELT berichtet, wird in der FDP-Bundestagsfraktion diskutiert, den festgestellten Hirntod als einziges Todeskriterium für die Ermöglichung einer Organentnahme durch das Kriterium des Herztodes zu ergänzen. Konkret solle es darum gehen, die Möglichkeit zu haben, dies als Zusatzoption auf seinem Organspendeausweis anzukreuzen. In anderen Ländern hätte dies zu einer deutlich vergrößerten Zahl an Organspenden geführt (vgl. auch https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/fdp-organspende-100.html).

Die FDP nimmt damit eine Diskussion auf, die schon länger im Gange ist (vgl. z.B. den Artikel in der FR vom 2.2.2023 und den lesenswerten Aufsatz Organspende nach Herz-Kreislauf-Tod (DCD) in Deutschland – controlled Donation after Circulatory Determination of Death (cDCDD) in Germany von Rainer Günther), über die aber in der allgemeinen Öffentlichkeit nicht viel berichtet wird, und ist ein Gegenpol zur Stellungnahme der Bundesärztekammer von 1998.
Ich bin ja sehr skeptisch, wenn versucht wird, die Zahl der zur Verfügung stehenden Organe zulasten des Selbstbestimmungsrechtes des sterbenden Menschen zu erhöhen. Egal wie der Gesetzgeber den Todeszeitpunkt definiert, aus meiner Sicht ist eine Organentnahme ein massiver Eingriff in den Sterbeprozess, und der setzt zu seiner Rechtfertigung echte Freiwilligkeit voraus, wie sie die Zustimmungslösung garantiert. Aber genau diese Freiwilligkeit beinhaltet ja der FDP-Vorschlag, und das macht ihn für mich zumindest diskutabel. Und wenn man bedenkt, dass in Spanien z. B. 45 % aller Organspenden von Spendern nach Herzstillstand kommen (vgl. https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(24)02128-7/fulltext), dann könnte darin ja wirklich eine ethisch gute Möglichkeit liegen, dass mehr Menschen von den positiven Auswirkungen eines gespendeten Organs profitieren könnten. Zumal nach Einschätzung vieler Transplantationsmediziner*innen die Qualität der entnommenen Organe bezüglich der Langzeitüberlebenszeit in den meisten Fällen mit nach Hirntod entnommenen Organen vergleichbar ist, wenn sie unter guten Bedingungen entnommen werden (vgl. z. B. die UK GUIDELINES ON TRANSPLANTATION FROM DECEASED DONORS AFTER CIRCULATORY DEATH oder den Artikel Uncontrolled Donation After Circulatory Death: A Unique Opportunity in Journal Transplantation).
Wichtig erscheint mir dabei, sich klarzumachen, dass es dabei nicht nur um geänderte rechtliche Bedingungen geht, sondern dass es dann auch entsprechende organisatorische Anstrengungen braucht (die personelle und finanzielle Ressourcen benötigen), um die dann rechtlich möglichen Chancen auch Wirklichkeit werden zu lassen.
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