Beratung statt Bevormundung: Stellungnahme der EKD-Kammer für Öffentliche Verantwortung zur Nichtinvasiven Pränataldiagnostik

Zurzeit wird vom Gemeinsamen Bundesausschuss geprüft, ob die Tests zur Nichtinvasiven Pränataldiagnostik (NIPD) in den Regelleistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden sollen. Dies hat eine kontroverse Diskussion ausgelöst.

Auf der einen Seite stehen Kritiker wie die eines Interfraktionellen Positionspapiers, die die Gefahr sehen, dass dadurch der Schutz des ungeborenen Lebens ausgehöhlt und ein Druck geschaffen werde, keine Kinder mit Trisomie 21 und dem damit verbundenen Down-Syndrom auf die Welt zu bringen (vgl. http://www.netzwerk-praenataldiagnostik.de/fileadmin/praenatal-diagnostik/bilder/180703_Interfraktionelles_Positionspapier_NIPD.pdf). Auf der anderen Seite befinden sich Menschen wie die Berichterstatterin für Pränataldiagnostik der SPD-Fraktion Hilde Mattheis, die die Gefahren deutlich geringer einschätzen und umgekehrt nicht einsehen wollen, dass die Frage nach dem Zugang zu diesen Test von der Größe des eigenen Geldbeutels bestimmt werden soll (vgl. http://www.fr.de/politik/meinung/gastbeitraege/gastbeitrag-ein-test-nur-fuer-schwangere-mit-geld-a-1601310).

Nun hat die EKD-Kammer für Öffentliche Verantwortung eine Stellungnahme verabschiedet (https://www.ekd.de/ekd_de/ds_doc/NIPD-2018.pdf), die aus meiner Sicht die Fakten gut zusammenfasst, die ethischen Probleme beschreibt und dann zu einem Votum kommt, welches die Pole Freiheit und Verantwortung in einer gelungenen, evangelischen Weise zusammenbringt und die sich der Rat der EKD zu eigen gemacht hat:

„Die Kammer empfiehlt grundsätzlich, die Nichtinvasiven Pränataltests (NIPT) aufgrund ihres für die schwangere Frau und das ungeborene Kind erheblich schonenderen Charakters in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung aufzunehmen. Diese zustimmende Empfehlung ist allerdings daran geknüpft, dass eine neue psychosoziale, dem Lebensschutz verpflichtete Beratung eingeführt wird, die schwangere Frauen und Paare darin begleitet, eine individuell verantwortete Entscheidung darüber zu fällen, ob sie den genetischen Bluttest durchführen wollen und in der Lage sind, die sich daraus etwa ergebenden Folgen zu tragen.” (S. 7.)

Ausgelöst wurde die Diskussion durch die seit einigen Jahren zur Verfügung stehenden Bluttest, die schon etwa ab der 10. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden und auch schon jetzt mit relativ hoher Sicherheit eine Trisometrie 21 feststellen bzw. ausschließen können, wobei anzunehmen ist, dass ihr Potenzial in Zukunft weiter wachsen wird.

Bisher müssen diese Tests, die ca. 500-1000 Euro kosten, privat bezahlt werden, während die Krankenkassen bei sogenannten Risikoschwangerschaften die Kosten für eine Fruchtwasseruntersuchung übernehmen, wobei bei diese Untersuchungen erst ab der 15. Schwangerschaftswoche möglich sind und bei ihnen die Gefahr der Auslösung einer Fehlgeburt besteht.

Medizinische Möglichkeiten, vorgeburtlich Einfluss auf die Entwicklung von Babys mit einer Trisometrie 21 zu nehmen, gibt es nicht. Der Nutzen dieser Untersuchung besteht also darin, dass die betroffenen Frauen bzw. Paare mehr Informationen für die Frage haben, auf was für ein Leben mit Kind sie sich einstellen müssten, und für die Entscheidung, ob sie das Kind austragen oder die Schwangerschaft abbrechen wollen.

Aus Sicht der Kinder ist der Schwangerschaftsabbruch sicherlich eine schlechte Lösung (bzw. die sein Leben verhindernde Katastrophe). Denn das Leben mit einem Down-Syndrom ist wohl anders ist als das von Menschen ohne diese Besonderheit, aber in der Regel nicht so leidvoll, als dass sie sich wünschten, nicht geboren zu sein. Ja viele von ihnen sind fröhliche Menschen und leben ausgesprochen gern. Umgekehrt sind Eltern eines Kindes mit dieser Einschränkung seiner Möglichkeiten, sich im „normalen” Tempo zur Selbständigkeit zu entwickeln, in der Regel anders gefordert als solche mit Kindern ohne diese Beschränkung. Somit erscheint es nachvollziehbar, dass Eltern, wenn sie unsicher sind, ob sie es sich zutrauen, mit einem kommenden Kind zu leben, diese Information haben möchten.

Wiederum ist genauso der Wunsch von Eltern zu schützen, ihr Kind ohne Bedingungen anzunehmen und gar nicht im Vorfeld wissen zu wollen, auf welche Besonderheiten sie sich einstellen müssten. Dies entspricht ja einer für unsere gesamte Gesellschaft wünschenswerten Haltung, Leben so anzunehmen, wie es ist.

So hat die Kammer m. E. recht, wenn sie den existenziellen Charakter der jeweiligen Entscheidung für oder gegen ein Kind betont, und dann schreibt:

„Denn so sehr Einzelne immer eingebunden sind in ein soziales Umfeld: Die Entscheidung für oder gegen die Inanspruchnahme pränataler genetischer Diagnostik, wie auch die Entscheidung für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch, muss letztlich von der schwangeren Frau bzw. den werdenden Eltern selbst getroffen werden.” (S. 22.)

Mit dem Ziel, diese Entscheidung in allen Fragen um die Schwangerschaft zu unterstützen, fordert sie ein von den Gesetzlichen Krankenkassen getragene Angebot einer am Leben orientierten und zugleich die Entscheidung der jeweiligen Frau bzw. des jeweiligen Paares respektierenden ethisch und fachlich fundierten Beratung.

Ich kann dem nur zustimmen und finde auch die gesamte Argumentation, die versucht, sehr genau das Verhältnis von Freiheit und Verantwortung, einzelnem Menschen und Gesellschaft zu reflektieren, sehr lesenswert.

 

 

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