Nun gelten die Beschränkungen durch die Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus schon seit einigen Wochen und es mehren sich die Überlegungen, wie eine Rückkehr ins normale Leben möglich ist.
Ich finde es wichtig, dass diese Diskussion geführt wird. Was mir aber fehlt, ist eine fundierte Basis, abzuschätzen, welche Maßnahmen welche Folgen haben könnten. Und eine solche Basis brauchen wir doch, wenn wir ethisch verantwortete Entscheidungen treffen wollen.

Coronaviren verlassen eine Zelle, Ersteller NIAID
Denn jede Entscheidung wird weitreichende Folgen haben und auf ihre Weise Menschenleben kosten. Jede Lockerung wird bewirken, dass sich wieder noch mehr Menschen mit dem Virus anstecken und einige davon werden sterben. Ein langes striktes Festhalten an den Maßnahmen wird u.a. unsere Wirtschaftskraft schwächen und steht in der Gefahr, erhebliche psychische Belastungen und Armut zu verursachen. Auch das wird nach allen bisherigen Erfahrungen auf unterschiedliche Weise Menschen krank machen und Leben gefährden.
Von daher wäre es gut zu wissen, wie genau die Auswirkungen welcher Maßnahme sein könnten, was natürlich extrem schwierig ist. Eine wichtige und deutlich eher umsetzbare Voraussetzung dazu aber wäre, sich einen guten Überblick zu verschaffen, wie die genaue Situation eigentlich ist: Wie viele Menschen haben sich angesteckt? Wie viele haben wie darunter gelitten? Wie viele sind inzwischen zeitweilig immun? Wie sind die aktuellen psychischen, ökonomischen und sozialen Auswirkungen der Restriktionen? Wie haben andere Länder gehandelt und welche Auswirkungen hatte das?Die Akademie für Ethik in der Medizin, das QUEST Center (Quality, Ethics, Open Science, Translation), das Berlin Institute of Health (BIH) und das Deutsches Netzwerk Evidenz-basierte Medizin (Netwerk EbM) haben schon am 25.3. einen Aufruf für ein Nationale Taskforce „COVID-19-Evidenz“ gestartet, der die Forderung nach einer zentralen Koordination der Forschung zu diesen und ähnlichen Fragen erhebt, nach meiner Wahrnehmung in der Öffentlichkeit aber kaum diskutiert wird. Darin heißt es u.a.:
„Deshalb sollte schnellstmöglich eine Taskforce ähnliche Struktur aufgebaut bzw. in eine existierende Taskforce wie dem RKI eingebaut werden, die festlegt, welche Daten mit welcher Priorität und welcher Qualität zum Thema COVID-19 benötigt werden. Wenn diese prioritär benötigten Daten nicht vorliegen, müssen sie in Deutschland schnellstmöglich im Sinne einer „Evidenzverordnung“ generiert werden. Die Taskforce muss deshalb neben einer Priorisierung auch die Koordinierung der benötigten Forschung übernehmen. Weiterhin muss die Gesellschaft über diese Aktivitäten und die daraus resultierende Evidenz wissenschaftsbasiert, verständlich und objektiv informiert werden.”
Mir leuchtet diese Forderung sehr ein. Zwar gibt es schon einzelne Forschungsprojekte wie z. B. das Projekt zur Erforschung des Infektionsgeschehens des Corona-Virus in Heinsberg, zwar wird jede Aussage über die Wirkung einer Maßnahme in der Zukunft mit deutlichen Unsicherheiten versehen sein; aber sich zentral und mit entsprechenden Mitteln ausgestattet Gedanken zu machen, welche Daten vorliegen, wie sie zu bewerten sind und welche Forschung jetzt dringend ist, erscheint mir in unserer heutigen Situation als eine vordringliche Angelegenheit.
Ergänzung: Ein interessantes Interview mit Prof. Streek, der die Ausbreitung in Heinsberg untersucht, findet sich unter https://www.youtube.com/watch?v=VP7La2bkOMo&feature=youtu.be
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