Angeregt durch Sheldon B. Kopps eschatologischem Waschzettel (in seinem Buch: Triffst du Buddha unterwegs) möchte ich in nächster Zeit über einige Sätze nachdenken, die mir in meinen Ausbildungen im Bereich Tiefenpsychologischer Körpertherapie und Pastoralpsychologischer Supervision wichtig geworden sind.
Anfangen werde ich mit dem Satz: „50% beim anderen bleiben fremd.“, den ich von Peter Anders-Hoepgen, dem viel zu früh verstorbenen Dortmunder Studentenpfarrer und Lehrtherapeuten, gehört habe.
Wörtlich genommen ist dieser Satz natürlich Unsinn. Es ist unmöglich, die Gleich- oder Andersartigkeit eines Menschen in Prozentpunkten zu messen. Und natürlich verändert sich das Maß an Übereinstimmung auch mit der Zeit.
Was der Satz aber zu Recht tut: Er wendet sich gegen die Illusion, in einer Liebesbeziehung oder Ehe den oder die andere völlig verstehen zu können. Nein, sagt er, wesentliche Teile des anderen werden mir fremd bleiben; dies gelte es wahrzunehmen, zu respektieren und vielleicht auch als Chance zu begreifen.
Auf den ersten Blick mag das frustrierend wirken. Denn ohne Zweifel: Unterschiedlichkeit hat ihre lästigen und bedrohlichen Seiten. Man frage mal jemanden, der gerne im Warmen schläft und einen Partner hat, der auch bei 10° unter Null die Frischluft liebt. Oder der ganz andere Vorstellungen von einem schönen Urlaub hat oder davon, was Freiheit oder Treue in einer Beziehung bedeutet.
Doch näher betrachtet kann diese Erkenntnis auch ungeheuer entlastend sein. Denn sie lässt mir und meinem Gegenüber eine Menge Freiheit: Die Freiheit, so zu sein, wie wir jeweils sind. Die Freiheit, weder mich noch den anderen unbedingt verändern zu müssen. (Dann muss ich nicht immer enttäuscht sein, wenn sie mit meiner Musik, meinem Glauben oder meinen Freunden nicht viel anfangen kann oder er nicht so romantisch ist wie ich oder nicht so auf meine Verletzlichkeit reagiert, wie ich es brauchen würde.) Letztlich schenkt diese Erkenntnis auch die Freiheit, uns gerade auch in unserer Unterschiedlichkeit lieben zu lernen.
Gut wird es, wenn beide im Gespräch bleiben. Wenn sie versuchen, den anderen zu verstehen, versuchen, zu sich selbst zu stehen, und für die gemeinsamen Dinge (wie z. B. die Ordnung im Haus oder das nächste Urlaubsziel) Kompromisse aushandeln und dabei jeweils für die eigenen Interessen eintreten, ohne den anderen für sein Anderssein zu verurteilen.
Richtig gut wird es, wenn beide neugierig darauf bleiben, wie der andere ist und wie er und wie sie selbst sich verändern.
Hallo Hanno!
Danke für Deinen Goldenen Satz! Hat mir gut getan. Ich tappe nämlich immer mal wieder gerne in die Falle, wortlos verstanden werden zu wollen…
Freu mich schon auf den nächsten Eintrag!
Viele Grüße
Petra
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