Zur Diskussion um den § 219a

Am 24.11. ist die Gießener Gynäkologin Kristina Hänel wegen eines Verstoßes gegen § 219a StGB vom Amtsgericht Gießen zu einer Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen zu je 150 Euro verurteilt worden. Sie hatte über ihre Homepage bzw. dann per E-Mail Informationen zugänglich gemacht, wie ein Schwangerschaftsabbruch straffrei durchgeführt werden kann und dass dies dann auch in ihrer Praxis möglich ist. (Vgl. z.B. http://www.fr.de/rhein-main/abtreibung-giessener-aerztin-zu-geldstrafe-verurteilt-a-1394602 und http://www.fr.de/rhein-main/abtreibung-kampf-gegen-den-vergessenen-paragrafen-a-1379481,0#artpager-1379481-0).

219a

Dass diese Informationen sachlich richtig waren und dass nicht in werbender Weise dafür plädiert wurde, einen Abbruch durchzuführen, ist unbestritten. Dass sie dennoch (und wahrscheinlich rechtskonform) verurteilt wurde, liegt an dem extrem weiten Werbungsbegriff dieses Paragraphen:

§ 219a – Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft

(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise
1. eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs oder
2. Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Abbruch der Schwangerschaft geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Seine beiden nachfolgenden Absätze beschreiben dann die legale Möglichkeit, ÄrztInnen und anerkannte Beratungsstelle über die Möglichkeiten und Mittel zur Abtreibung zu unterrichten.

Als Reaktion auf dieses Urteil wurden vielfach Forderungen laut, diesen Paragraphen abzuschaffen oder doch zumindest zu verändern, so z.B. durch Ursula Ott, Chefredakteurin der evangelischen Monatszeitschrift  chrismon (https://chrismon.evangelisch.de/artikel/2018/37344/informationsverbot-fuer-abtreibungen-muss-fallen), durch Marlen Hobrack in der Internetausgabe der Welt (https://www.welt.de/kultur/article171507046/Paragraf-219a-ist-eine-Zumutung.html) und durch die Webseite Weltanschauungsrecht, das dem Artikel Verwassungswidrigkeit unterstellt (https://weltanschauungsrecht.de/meldung/219aSTGB-verfassungswidrig-Haenel).

So haben sich dann Abgeordnete von FDP, SPD, Grünen und Linken zusammengeschlossen, um über eine Abschaffung dieses Paragraphen oder doch zumindest seine Modifizierung zu beraten und auch das Gespräch mit der CDU/CSU gesucht., die einer Änderung aber wohl eher ablehnend gegenübersteht (vgl. z.B. http://www.taz.de/!5470688/ und http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/syrien-in-manbidsch-droht-der-nato-gau-15414999.html).

Mir selbst erscheint die Haltung von Strafrechtsprofessoren aus dem Kriminalpolitischen Kreis sehr bedenkenswert, die fordern, sachliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche zu entkriminalisieren:

„Man sollte das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche auf einen akzeptablen Kern zurückführen“, so die Kölner Strafrechtsprofessorin Elisa Hoven. „Ein aggressives Anpreisen kann man untersagen, aber wenn schon der bloße Hinweis auf einen an sich nicht strafbaren Schwangerschaftsabbruch unter Strafe gestellt wird, ist das widersprüchlich.“ (zitiert nach https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/professoren-kriminalpolitischer-kreis-fordern-reform-219a-stgb-werbung-schwangerschaftsabbruch-entkriminalisierung/)

Sicher kann niemand wünschen, dass aggressiv für Abtreibungen geworben wird frei nach dem Motto: „Spar dir die Pille, Abtreibungen sind cooler.“ Aber wer würde das auch machen wollen?

Von daher ist der Paragraph § 219a aus meiner Sicht überflüssig, und seine Abschaffung könnte unser Strafgesetzbuch ein wenig entlasten und ein bisschen mit deutlich machen, dass man nicht alle gesellschaftlich wichtigen Ziele mit dem Strafrecht schützen muss.

Umgekehrt schadete er auch nicht mehr, wenn er so verändert würde, dass sachliche Informationen nicht mehr bestraft würden. So oder so schützt er kein Leben, weder geborenes noch ungeborenes. Doch in seiner augenblicklichen Form erschwert er Frauen, sich in Ruhe zu informieren, vergrößert damit ihre Not, setzt Ärztinnen und Ärzte unter Druck und bindet Ressourcen bei Staatsanwaltschaften und Gerichten, die für andere Tatbestände dringend gebraucht werden. Deswegen sollte er, wenn man ihn nicht ganz aufgeben will, zumindest in oben beschriebener Weise verändert werden.

Um das ungeborene Leben zu schützen, sollte man nicht Frauen Informationen vorzuenthalten suchen (oder sie gar selbst strafrechtlich bedrohen), sondern unsere Gesellschaft mütter- und familienfreundlicher gestalten, wie es auch Kristina Hänel in ihrem Offenen Brief an KritikerInnen aus der CDU weiter ausführt. Das würde mit Sicherheit nicht jede Abtreibung verhindern, aber er könnte die Chance von manch werdendem Menschen  im Mutterleib erhöhen, nicht nur geboren zu werden, sondern auch ein menschenwürdiges Leben zu leben.

 

3 Gedanken zu „Zur Diskussion um den § 219a

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